Review

Rie Murakami

Sahara

Ship To Shore • 2020

Dieser Tage wird der Film »The Legend of the Stardust Brothers« neu für die westliche Welt aufgelegt, eine scharfe und bisweilen sehr schrille Persiflage auf das Idol-System der 1980er Jahre in Japan, die von einem massiven wirtschaftlichen Aufschwung und dem damit einhergehenden kulturellen Höhenflug geprägt waren. »Sobald du einen Nummer-Eins-Hit hast, schreib denselben Song nochmal« singen die beiden Protagonisten darin und formulieren damit die ultmative Handlungsanweisung für die City-Pop-Ära: Scheiß drauf, ob’s kreativ ist, Hauptsache es funktioniert. »Sahara« ist das einzige Lebenszeichen von Rie Murakami, von der jenseits des recht bizarren Plattencovers keine Fotografie zu existieren scheint. Nachdem der Song »T.N.T.« zuletzt auf der Compilation »Tokyo Nights (Female J-Pop Boogie Funk: 1981 To 1988)« zu hören war, wird das im Jahr 1984 erstveröffentlichte Album nun neu veröffentlicht. Bemerkenswert ist die Bandbreite der Musik, deren Credits für jeden Song mindestens drei Namen listen und dabei japanischen Jazz-Musiker wie Takehiro Honda genauso wie die in Japan ansässige Songwriterin Linda Hennrick in verschiedenen Kombinationen zusammenbringt. Kein Wunder, dass dabei niemals derselbe Song rauskommt. Motto: Scheiß drauf, ob’s funktioniert, Hauptsache es ist kreativ! Und obwohl Murakami damit noch lange keine einzige Pole-Position vergönnt war: Hits finden sich auf »Sahara« angefangen mit dem Titelsong einige. Zusammgenhalten wird deren stilistische Diversität zwischen Jazz-Funk und Electro-Pop von Murakamis Gesang, der bemerkenswert wandelbar ist: Wie ein Chamäleon passt sich die Sängerin einer Slo-Mo-Ballade wie »I’m the One For You« genauso nahtlos an wie sie beispielsweise für »If I Ever Lose This Heaven« an Tina Turner borderndes Pathos aktivieren kann. Alles scheint in wunderbarer Weise nur Mittel zum Zweck, Ziel war vermutlich – so legen die englischen Lyrics nahe – ein Durchbruch auf dem internationalen Markt. Geklappt hat das nicht, dafür aber etwas viel Schöneres: »Sahara« ist ein abwechslungsreiches Pop-Album ohne Eigenschaften, dafür aber voller Hits.