Light In The Attic – Alles ist erleuchtet

11.08.2020
Seit fast 20 Jahren bringt das in Seattle beheimatete Plattenlabel Light In The Attic Licht ins Dunkel jener Releases, die im Schatten stehen. Dass sie von Beginn an auf Vinyl setzten, zubilligt dem Label heute die Rolle eines Vorreiters.

Was ist Platten herausbringen anderes als »Licht in das Dunkel« bringen? Musik, die sonst nie das »Licht der Welt« erblicken würde, wird auf Vinyl oder Kassette gebannt und Menschen zugänglich gemacht. Vor allen Dingen Labels, die sich auf Reissues spezialisiert haben, sind solche Kapazitäten der Illumination, der Aufklärung. Wie kann es dann einen besseren Namen geben als Light In The Attic?

Das 2002 gegründete Label aus Seattle, Washington entstand in einer Zeit als große Firmen gegen Napster klagten, Feuilletons in den Tauschbörsen das Ende der Popmusik sahen und währenddessen sich unzählige Jugendliche ein Archiv erschlossen, das ihnen allein aus monetären Gründen für immer versagt geblieben wäre ohne Pay-to-Play und illegale (das sind und waren sie selbstverständlich immer) Downloads. Nur ein scheinbarer Widerspruch, den Matt Sullivan damals am eigenen Leib erlebte. Sullivan arbeitete nach dem Studium in Seattle bei Sub Pop Zu dem Zeitpunkt hatte er schon mehrfach mit dem Gedanken gespielt ein eigenes Label zu gründen und holte sich bei dem Indie-Riesen das nötige Werkzeug. Er wurde nach Spanien zum Sublabel Munster Records geschickt und war für die Wiederveröffentlichung von Spacemen 3 und den Stooges zuständig. Ein folgenreicher Schritt, denn dies war der nötige und richtige Aufhänger für ein eigenes Label: Licht auf den Dachboden der popmusikalischen Geschichte bringen.

Denn so weit und offen die Welt nach Napster schien, so eingeschränkt war sie. Es gab entgegen landläufiger Meinung doch nicht alles, im besten Falle noch in miserabler Qualität oder als schlecht-gemachter Bootleg. Große, wichtige, bedeutende Platten fehlten gar gänzlich. So wichtig The Last Poets etwa für die Entwicklung von Rap und Hip-Hop waren, waren ihre ersten beiden Platten nicht zu finden: Weder digital noch als Vinyl. Verschollene Musik. Ein perfekter Einstieg für das Label und so erschienen das selbstbenannte Debütalbum und »This Is Madness« nicht bloß auf Vinyl, sondern direkt im nötigen Rahmen. 220 Gramm, Fotos, verloren geglaubtes Material, Liner-Notes von Chuck D – so ehrt man die Großen.

Und Light In The Attic kam eine nicht zu unterschätzende Vorreiterrolle zu: Man setzte konsequent auf das einzig wahre Medium für solche Reissues. Der Vinyl-Hype war damals noch weit weg. Das sieht heute, 18 Jahre später, anders aus.

Und Light In The Attic kam eine nicht zu unterschätzende Vorreiterrolle zu: Man setzte konsequent auf das einzig wahre Medium für solche Reissues. Der Vinyl-Hype war damals noch weit weg. Das sieht heute, 18 Jahre später, anders aus. Und Matt Sullivan und sein Partner Josh Wright sind unmittelbar daran beteiligt. Denn die Reise endete nicht mit The Last Poets: Man widmete sich Spoken-Words-Legende Saul Williams genauso wie dem Soundtrack zum Hardcore-Porno »Deep Throat«; man setzte die Folkerin Karen Dalton und die fast vergessene Betty Davis auf den Sockel, der längst auf die Beiden wartete; die Monks und Kris Kristofferson wurden wieder ins Rampenlicht geholt.Alleine mit der Aufzählung könnte man mittlerweile Tage verbringen – und selbst dann hätte man nur einen Bruchteil von dem widergegeben, was das Label geschafft hat.

2012 dann der vorerst größte Erfolg der Labelgeschichte: Der Film »Searching for Sugar Man« wurde mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet. Und Light In The Attic lieferte das Reissue zum Werk des amerikanischen Singer/Songwriters. Wer den Film kennt, weiß welche Rolle die Musik dort spielt – und der Soundtrack war maßgeblich am Erfolg des Films beteiligt.
Wer das Label-Roster anschaut, weiß dennoch, dass Auszeichnungen nicht der Fokus der Label-Arbeit sind. Künstler*innen wie den Folker Michael Hurley oder die Jazzerin Annette Peacock veröffentlicht man nicht aus der Hoffnung auf Geld oder Gold, sondern weil man es möchte – vielleicht sogar muss. Es hat sich seit der vermehrten Aufmerksamkeit durch den Oscar-Gewinn nachvollziehbarer Weise einiges getan. Unter anderem nutzte man in den letzten Jahren die Möglichkeiten um den amerikanischen Markt mit der großen Welt der japanischen Popmusik vertraut zu machen. Die »Japan Archival Series« und die »Haruomi Hosono Archival Series« brachten bedeutende Alben und Compilations zusammen und erinnerten an die Zeit als das Yellow Magic Orchestra bei »Soul Train« aufschlug. Doch Light In The Attic wird man nie auf einen Stil eingrenzen können. So erschienen allein in den letzten Wochen Platten zum Seattler Sound-Engineer Kearney Barton, ein 1969 aufgenommenes, super-rares Psych-Folk-Album von Jim Sullivan und ein Klassiker des Ambient aus den 1980er Jahren von Hiroshi Yoshimura. Es gibt einfach genug Platten, die noch ins Scheinwerferlicht getragen werden wollen. In Seattle bleibt man dran.