
Das Jahr war keine vier Wochen alt und schon war die Messe in Sachen Deutschrap für 2022 gelesen. Dass OG Keemo mit »Mann Beißt Hund« das narrativ konkurrenzloseste Deutschrap-Album der Geschichte machen würde, ließ sich nach den wenigen vorab veröffentlichten Tracks bereits prophezeien, die Selbstverständlichkeit aber mit der Keemo hier mindestens drei Perspektiven zu einem Block-Prisma zusammenkittet, in dem es weder verlässliche Erzähler noch sozialpädagogische Well-Actually-s gibt, ist so aber auch international beinahe einzigartig. Natürlich muss an dieser Stelle irgendwo der abgelehnte Kendrick-Vergleich kommen, aber allein mit welcher - Vorsicht, Klischee - cineastischen Detailverliebtheit Keemo schon auf dem Opener jeden Quadratzentimeter seines Viertels vermisst, kennt man so eigentlich auch nur von Alben der Größenordnung »Illmatic« oder »The Infamous«. Und das sind nur die ersten drei Minuten. Schluck.
Florian Aigner
Auch nicht ganz absurd wäre Earl Sweatshirt als Referenz, zumindest was die Unangestrengtheit der lyrischen Abgründe angeht, wobei Earl nach wie vor am liebsten mit lyrischen Ambivalenzen und abstrakterer Poesie arbeitet, verglichen mit Keemos zumindest in der Wortwahl recht geradem Schreibstil. »SICK!« ist das leichtherzigste Album des notorisch miesepetrigen Neuvaters, die Rückkehr nach LA hört man stellenweise der Beat-Selektion an. Natürlich bleibt Earl aber auch hier der König des Morasts, manchmal klingt er immer noch als lägen zwei Zentimeter Hustensaft mit Sägespännen auf seiner Zungenspitze, aber es gibt hier auch Momente fast zelebratorischer Leichtigkeit. Wie immer bei einem Earl Album: es wird nicht viel besseres dieses Jahr veröffentlicht werden.





Ach und komm: ja, Burial macht viel bessere, weil tief unter der Oberfläche brodelnde Musik, aber sich hinzustellen und mal wieder eine neue Burial als emotionale Großtat zu feiern (und gleichzeitig auf Bonobo einzuprügeln), fühlt sich auch nicht richtig an. Also an dieser Stelle nur die übliche PSA: die neuen vierzig Minuten sind natürlich nicht so gut wie die ersten beiden Alben, aber machen trotzdem, wie immer, etwas mit einem. »Antidawn« ist Burials Ambientplatte, Drum-Programming lässt sich höchstens erahnen und ja, mich hat das abgeholt.
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Dalia Neis und Enir Da haben als Fith angefangen, hören nun aber für ihr Album auf STROOM〰 auf den Namen Dali Muru & the Polyphonic Swarm. Arg viel hat sich nicht geändert: Das ist immer noch Peak-SDA-Weirdo-Pop in Moll, auf dem Dalia Neis Vocals in ihrer distanzierten Coolness durch reduzierte, Tolouse Low Trax inspirierte Beats und krautige Kautzigkeiten geistern, in bester Avant-Wave-Tradition. Die Formel mag mittlerweile bekannt sein, aber ein Spitzenalbum ist das trotzdem.
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Immer noch keinerlei Hintergrundinformationen habe ich zu Civilistjävel!, die/der (?) nach wie vor über Low Company mit schöner Regelmäßigkeit spröde LPs ohne Info in die Plattenläden tragen, auf denen (Dub) Techno aus Vainio’scher Perspektive gedacht, aber doch ganz anders umgesetzt wird. Hymnisch ist auch hier nichts, aber die üblichenTemperaturmetaphern schlagen fehl. Nummer »4/5« nistet sich unbemerkt neuronal irgendwo im hintersten Lappen ein und weigert sich Platz machen.

Ich finde »Plonk« ist der deskriptivste Plattentitel seit Bleep Techno gecoint wurde. Die meisten der vielen, sehr vielen Huerco S Sideprojects waahuhbrrrrmmmten eher, »Plonk« plonkt aber direkt in der ersten Hälfte und kreiiert mal eben nebenbei die Weightless Version von Drill. Danach wird's etwas sphärischer und absehbarer, aber bei diesem dubbigen Ambient-Zeug macht Huerco S ja trotzdem keiner was vor. Wenn jetzt noch jemand anmerkt, dass zumindest der Closer auch auf dem Bonobo-Album hätte sein können, dürfte ich final als Heuchler enttarnt sein.
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