Review

Dieter Moebius

Blotch

Bureau B • 2016

An den Werdegängen von Dieter Moebius und Hans Joachim Roedelius lassen sich die recht unterschiedlichen Temperamente der früheren Kollegen bei Cluster ziemlich gut nachvollziehen. Während Roedelius seinem sanft-tastenden postromantischen Stil weitgehend treu blieb und bleibt, durchlief Moebius mehrere Stadien der zunehmenden Sperrigkeit. Das führte in seinem Spätwerk zu herrlich unberechenbaren Stream-of-Unconsciousness-Monolithen wie »Kram« von 2009, doch schon in den 1990er Jahren war die Wende weg vom Groove und – wieder – hin zum Klang zu bemerken. In »Blotch« aus dem Jahr 1999 sind sich die Loops praktisch selbst überlassen, sie rumpeln, stottern, kreiseln wie Automaten, die sehr lange Zeit nicht mehr gewartet wurden. Weder wütend noch versöhnlich, entwickeln sich die Töne und Geräusche in aller Ruhe, man lauscht einem sich fast selbst genügenden Kosmos. Dieter Moebius mag sich dabei zwar äußerlich stoisch geben, lässt aber immer noch seinen entwaffnend schrulligen Humor durchblicken. Sogar ein an die Hochphase des No Wave gemahnendes Saxofon-»Solo« gibt es im 11-minütigen »Kohlzug« zu hören. Und das ist nicht die einzige Überraschung, mit der Dieter Moebius aufwartet. Ein stiller, freundlicher Aufbruch ins Ungewisse.