Review

Holger Adam, Yasar Aydin u.a.

Pop Kultur Diskurs

Ventil Verlag • 2011

Nachdem in den letzten Jahren an nahezu jeder Universität in Deutschland Seminare über Sexualität, Markenkleidung oder Fußballgesänge im Kontext der Popkultur stattfinden, ist es nun endgültig Zeit, die populäre Kultur einer genauen Definition und Verortung zu unterziehen. Holger Adam, Yasar Aydin, Zülfukar Cetin, Mustafa Doymus, Jonas Engelmann, Astrid Henning und Sonja Witte – allesamt Promotions-StipendiatInnen der Hans-Böckler-Stiftung – versuchen in ihrem Band Pop Kultur Diskurs eine Auslotung der Populärkultur im Verhältnis zu Industrie, Wissenschaft und Gesellschaft.

Unterteilt ist das Buch, dessen Texte die Ergebnisse einer Tagung der Hans-Böckler-Stiftung im Jahr 2009 zum Thema »Popkultur – Kultur des Popularen« sind, dabei in fünf Kapitel. Nach einer fundierten Einleitung beschäftigen sich Roger Behrens und Holger Adams so wie Jonas Engelmann mit dem mitunter schwierigen Spannungsfeld Pop(-Theorie), Subjektivität und Politik – hier werden in den ersten beiden Aufsätzen gekonnt bereits zu Beginn mögliche Konflikte subsumierte und der Weg für weitere Betrachtungsweisen geebnet. Das zweite Kapitel widmet sich nämlich dem »Pop im Dienste der Nation«. Yasar Aydin unternimmt eine politische und soziologische Annäherung an die Mythen der türkischen Literatur anhand des Romans Su Cilgin Türkler, welcher den Unabhängigkeitskriege in Westanatolien schildert. Und Sonja Witte zeigt am Beispiel des Fußball-Films Das Wunder von Bern wie sich das Verhältnis der Deutschen zu ihrem eigenen, durch Nationalsozialismus gebeuteltem Land, wandelt. Und Martin Büsser beleuchtet die Nationalisierung im Pop von Rammstein bis MIA.

Das dritte Kapitel »Identitätspolitik in der Kulturindustrie« ist ebenso breit gefächert in seinen Themenfeldern, in der Ausführung jedoch dennoch stets präzise. Matthias Rauch etwa widmet sich den Identitätsentwürfen und –konstruktionen von Rappern wie Samy Deluxe, Eko Fresh oder dem mit nationaler Symbolik kokettierenden Fler, während Zülfukar Cetin auf der Grundlage von Musikvideos aus der Türkei, Deutschland oder Großbritannien die mediale Darstellung von Lesben, Schwulen, Transvestiten und Transsexuellen untersucht. Arne Schröder unterzieht zuletzt den US-Fernsehserien Queer as Folk und The L World eine Untersuchung ob der dort produzierten sexuellen Identitäten. Stets sind die Quellen dabei nachvollziehbar gewählt und die Argumentationen fügen sich schlüssig in den Rahmen der Fragestellungen ein.
Im vierten, deutlich praxisorientierteren, dafür nicht weniger interessanten Kapitel. Guido Bröckling beschäftigt sich in »Interaktion und Intersubjektivität zwischen TV-Diskurs und Netz-Dialog« mit der immer erheblicher werdenden Bedeutung der Massenmedien für die Kommunikation, während Stefan Werner durch die Herstellung des Zusammenhangs zwischen Populärkultur und sozialer Stadtentwicklung eher politische Gefilde betritt.

Im letzten Teil widmen die Autoren sich den Zusammenspiel von Kultur und Gesellschaft. Jan Haut analysiert die kollektiven Identitäten im Sport und gleicht sie mit Perspektiven von Norbert Elias, Pierre Bourdieu und Theodor W. Adorno ab. Astrid Henning und Michael Sonnicksen beschäftigen sich mit der Narrativität populärer ostdeutscher 68er-Identität. Und zu guter letzt stellt Melanie Babenhauserheide das Verhältnis von kindlichem und wissenschaftlichem Lesen und die Bedeutung für die Analyse von Kinder- und Jugendliteratur gegenüber.
Wenngleich mitunter der rote Faden fehlt, ist Pop Kultur Diskurs vielleicht genau richtig und exemplarisch für das Prinzip »Pop« in allen seinen Facetten. Alles ist möglich. Denn auf 287 Seiten bietet Pop Kultur Diskurs eine vielschichtige und fundierte und vor allem auch aktuelle Herangehensweise an das Sujet »Pop«.

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