Review

Lucy Liyou

Dog Dreams

American Dreams • 2023

Jede Veröffentlichung von Lucy Liyou fühlt sich radikal anders als die vorige an und mit »Dog Dreams (개꿈)« definiert die in San Francisco lebende Künstlerin nochmal für sich und ihr Publikum neu, was das überhaupt ist, eine Musikveröffentlichung. Denn nicht nur handelt es sich um weitgehend konventionelles Album – drei verschiedene Stücke mit knapp 36 Minuten Gesamtspielzeit, erhältlich auf Schallplatte und digital –, sondern ebenso um ein Computerspiel oder besser gesagt virtuellen (T-)Raum, den die Hörer:innen individuell erkunden können, während die Musik im Hintergrund läuft. Gedeckte und doch psychedelische Farben, eine dunkelbunte Unterwasserwelt oder doch ein andere Planet mit Minimalschwerkraft – so genau ist das nie klar. Die träumerische Unschärfe der digitalen Umgebung passt aber perfekt zur Musik, in der Liyou wie so oft Tropen und Methoden von ASMR aufnimmt und mit wispernder Stimme mal in englischer, mal koreanischer Sprache Lyrik rezitiert. Der Sound ist als Surround-Erfahrung zu verstehen, es raschelt, knackst und schuppert aus allen Richtungen. Aber auch elektronische oder Orgel-Drones, sachte gesetzte Klavierklänge und jazzige Ankläge sowie weit hinten im Mix vergrabener Gesang oder sogar eine ebenso pathetische wie stimmgewaltige Soul-Einlage gehören zu diesem Gesamtbild, das Liyou gemeinsam mit Ko-Produzent Nick Zanca immer wieder neu aus den einzelnen Elementen zusammensetzt und in Bewegung bringt. »Dog Dreams (개꿈)« erweitert diese sowieso schon traumähnlichen Sounds nun noch um eine visuelle, interaktive Ebene als dynamisches Gesamtkunstwerk – ebenso nahbar wie nahe gehend.