Auf »Eremos« bereist Siavash Amini eine Einöde. In vier Etappen durchwandert der iranische Künstler leise Soundscapes. Drones wehen durch sie wie Böen, schlagen ein spektrales Glockenspiel an. Synthesizer verkümmern zu einem analogen Rauschen. Als würde eine Schallplatte in Wind und Witterung zersetzt. Es sind lebensfeindliche Gefilde, das Amini durchzieht. Inspiration bieten ihm Texte des mittelalterlichen Philosophen Ibn Sina. »Wenn du Richtung Orient gehst, wirst du einen unbewohnten Himmelstich erreichen, ohne Menschen, Pflanzen oder Mineralien. Es ist eine weite Wüste, eine überlaufende See, eingeschlossene Winde, ein loderndes Feuer«, heißt es in einem der Promo angehängten Auszug. Wandert man weiter, treffe man auf Metalle, dann auf Pflanzen, dann auf Tiere, dann auf Menschen. Ibn Sina verpackt eine kosmologische Hierarchie in Form eines Reiseberichtes. Sie sollte, so der Philosophiehistoriker Kurt Flasch, »eine neue Epoche« des Denkens einläuten. Im lateinischen Westen wurde Ibn Sina freudig rezipiert. Über Thomas von Aquin fand sein Weltbild Eingang in die Doktrin der katholischen Kirche. Heute gilt Ibn Sina vielen als Erinnerung an das islamische Erbe des Abendlandes. Doch von einem Plädoyer für multikulturelle Eintracht ist bei Siavash Amini nichts zu spüren. Wenn Menschen in seiner Welt etwas gemein ist, dann die Erfahrung der Indifferenz. Den Kosmos kümmert es nicht, ob wir leben oder sterben. Er bietet nur Gelegenheiten, sich an Geräuschen zu erfreuen.
Eremos